Heute am 9. Oktober 2020 gab es auf dem YouTube-Kanal "New York Comic Con" ein paar erste Szenen aus der Serie "The Watch" zu sehen, einen Trailer und vor allem einige Worte der beteiligten Produzenten und Schauspieler. Die Serie wird am 3. Januar 2021 auf BBC America veröffentlicht.
Schon seit Anfang an war bekannt, dass die Serie keine Adaption werden würde und als erste Pressetexte und dann Bilder gezeigt wurden war die Erklärung, dass es eine Serie wäre, die von den Charakteren der Stadtwache nur inspiriert ist, eigentlich schon unnötig. Zu modern wirkten einige Gegenstände auf den Bildern und auch Teile der Kostüme, dass man auch eher annehmen musste, die Lampen wären doch eher elektrisch als magisch.
Aber warum nicht auch Scheibenwelt in einem Cyberpunk-artigem Setting? Schließlich waren zumindest die ersten Wachebücher Pratchetts (und das großartige Discworld Noir-Computerspiel) dem Film Noire-Genre schon recht nah und von dort bis zu Cyberpunk ist es kaum mehr als etwas Technik und viel Neon. Ich blieb also trotz aller Skepsis noch gespannt.
Und jetzt nach dem Sehen der ersten bewegten Bilder bin ich immer noch zwiegespalten.
All denen, die noch nichts über die Serie gehört haben oder jene, die es getan haben und noch der Hoffnung nachhängen, die Serie bliebe trotz der Bilder nahe an Pratchetts Ausgangsmaterial, sei empfohlen sich von dem Gedanken zu lösen. Für Adaptionspuristen gibt es noch die Hoffnung in Form der Ankündigung von Terry Pratchetts Produktionsfirma Narrativia, es werde noch werkgetreue Adaptionen geben. Die Deutlichkeit der aktuellen Distanzierung auf Twitter von "The Watch" durch Rhianna Pratchett, Terrys Tochter und Teil von Narrativia, mag einen optimistisch diesbezüglich stimmen.
Wer jetzt noch mitliest: Ich habe auch einige Sachen aus der Premiere gezogen, die mich positiv gestimmt haben.
Zunächst wurde eine wichtige Essenz genannt, aus der die Serie schöpfen sollte. Große Teile der Kriminalität wurden legalisiert und in die Hände der Gilden gelegt, wodurch die Stadtwache ihre Daseinsberechtigung verlor und nur noch dazu diente ein paar traurige Gestalten zu beherbergen. Diese würden im Laufe der Zeit aber über sich hinauswachsen und letzen Endes liege es in ihrer Hand alle zu retten. Dieses Szenario ist auch die Grundlage des ersten Stadtwachen-Romans "Wachen! Wachen!". Es ist eine gute Entscheidung eine Geschichte an dieser Stelle anzusetzen, wo die Hauptpersonen am schwächsten sind und auch noch die meiste Charakterentwicklung vor sich haben.
Es wurde sich natürlich auch zum optischen Stil geäußert. Laut dem Showrunner würden einige den Schauplatz Ankh-Morpork eher mittelalterlich sehen, andere eher viktorianisch, wieder andere gregorianisch, weswegen man sich entschlossen habe, was neues zu erzeugen, was definitiv Fantasy ist, aber mit einem eigenen Stempel versehen ist. Ihnen wäre auch wichtig gewesen, dass sie mit echten Kulissen und Gegenständen und wenig CGI arbeiten können. Zugegebenermaßen war Fantasy nicht unbedingt das erste Wort was mir bei den Kostümen und der Kulisse eingefallen wäre, und manche Gegenstände in den Hintergründen der Kulisse wirken für mich einfach noch wie Fremdkörper. Aktuell hege ich noch die Hoffnung, dies ist nur ein Effekt meiner Erwartungshaltung eines "historischeren" Aussehens ist. Wenn es den Production Designern, unter Simon Rogers, aber gelingt eine Welt zu erschaffen, die vom Ambiente in sich harmonisch und authentisch wirkt in einer Art, dass alles aus einem Guß wirkt und einem nach kurzer Zeit diese "Merkwürdigkeiten" nicht mehr auffallen, dann kann man nur den Hut ziehen. Sollte der Effekt misslingen wird man sich hingegen immer wieder fragen, ob nach dem früheren Filmteam das Set einfach nicht aufgeräumt wurde. Für eine richtige Bewertung ist es hier leider noch zu früh, da zu wenige Szenen gezeigt wurden. Begrüßenswert finde ich aber jetzt schon die Entscheidung mit möglichst wenig CGI auskommen zu wollen und lieber in großen Kulissen mit vielen echten Gegenständen zu drehen. Die Immersion ist oftmals auf diese Weise nicht nur für den Zuschauer größer, sondern auch die Schauspieler können sich besser in die Rolle versetzen als wenn vier fünftel
Ihrer Umgebung erst nachträglich im Computer eingefügt wird.
Apropos Schauspieler. Die paar Szenen haben gereicht meine Meinung zu den einzelnen Besetzungen, die ich nach den Bildern gewonnen hatte, gründlich durcheinander zu schütteln.
Der Reihe nach:
Tod, verkörpert von Wendell Pierce: Hier war nach den ursprünglichen Erklärungen noch nicht einmal klar, ob es der Charakter in die Serie schafft. Es ist sicherlich einer der am schwersten zu besetzenden Rollen, da man sehr viel falsch machen kann. Nun nach der Premiere ist klar: Ja er kommt vor und das anscheinend auch regelmäßig. Von der Performance und vom Aussehen her würde ich ihn mit einem schulterzuckenden, neutralen "meh" bewerten. Schwarze Kutte, die etwas schäbig (in allen Bedeutungen) wirkt, Skeletthände aber kein Gesicht sondern nur zwei blaue Glühbirnen an der Stelle der Augen. Die Glühbirnen sind unglücklich, wir hatten auf der Scheibenwelt-Convention einen überzeugenderen Tod, aber alles in allem hätte es schlimmer kommen können.
Samuel Vimes (dt. Samuel Mumm): Hier dachte ich bei den Bildern: Wow, ja optisch trifft es das schon ganz gut. Und dann war es auch noch der zumindest aus Game Of Thrones "bekannte" Richard Dormer, zumindest für mich der einzige Name im Cast den ich vorab gekannt hatte. Das hier lässt sich nicht anders sagen: Das ist eine Tragödie: In allen gezeigten Szenen ein einziges Overacting von Dormer. So als würde Dormer nicht Captain Samuel Vimes, sondern in Wirklichkeit Johnny Depp in der Rolle als Captain Jack Sparrow in der Rolle als Samuel Vimes spielen. Es ist mir unverständlich, vor allem, da Dormer schauspielern kann. Vielleicht liegt es daran, dass der Charakter stellenweise etwas komischer ausgelegt ist oder die Schreiberlinge ihm kein besseres Skript gaben?
Carott (dt. Karotte), gespielt von Adam Hugill: Hier passte die Optik auch relativ gut zu meiner Vorstellung. In den Szenen hat man ihn kaum gesehen, aber das was man sah, war doch ganz passend. Achja: Auch in der Serie ist er anscheinend ein Mensch, der als Zwerg großgezogen wurde.
Angua, gespielt von Marama Corlett: Nach der Betrachtung der Bilder hatte ich gesagt, dass das Aussehen nicht gemäß der Bücher ist, aber die Darstellung eine gewisse Einstellung des Charakters transporiert, die man teilweise auch bei der Bücher-Angua finden kann oder zumindest finden könnte. Das bestätigt sich für mich zunächst, auch wenn es auch hier nur wenig Szenen mit ihr zu sehen gab. Es wirkt aber so als würde die Schauspielerin sich wirklich auf ihre Gesichtsmimik verstehen, was ihr zumindest trotz ihrer eher geringen Körpergröße eine gewisse Präsenz im Raum geben kann. Hier bin ich aktuell zufriedener mit der Wahl als ich gedacht hätte. Ich hoffe, dass sich die nun gesteigerten Erwartungen erfüllen. Und noch ganz wichtig: Es wurde bestätigt, dass sie einen Werwolf spielt.
Cheery, gespielt von Jo Eaton-Kent: Es ist eine interessante Wahl einen weiblichen Zwerg, der in einer Gesellschaft, die sich nach außen und innen nur männlich identifiziert von einer nicht-binären Schauspielerin (Jo Eaton-Kent bevorzugt das weibliche Pronomen she/her oder das neutrale they/them) darstellen zu lassen, die größer ist als der Adoptiv-Zwerg Karotte. Ich hatte nach den ersten Berichten vermutet, dass sie die zwergische Eigenschaft von Cheery unter den Tisch kehren und stattdessen Cheery als transsexuellen/genderfluid Charakter konzipieren (oder ähnliches). Das hätte ich als recht mutig empfunden. Ich bin mir auch nach dem Interview nicht ganz sicher, was sie mit dem Charakter vorhaben. Es klingt allerdings danach als wäre Cheery weiterhin ein Zwerg der in der rein männlich-definierten Zwergengesellschaft aufgewachsen ist und dort ausbrechen will. Ob Cheery jedoch wie in den Büchern in jeder Hinsicht weiblich ist und das "Tabu" des Weiblich-Seins der Zwerge brechen will oder ob Cheery in der Serie beispielsweise non-binary ist und die gesellschaftliche Ignoranz und Arroganz diesbezüglich aufbrechen möchte, könnte spannend werden. Ich hoffe nur, sie haben eine Erklärung warum Cheery so groß ist...
Vetinari, gespielt von Anna Chancellor: Es wurde schon in den Pressetexten bekannt gegeben, dass Vetinari von einer Frau gespielt wird. Die Szenen zeigen: Ja es geht. Ich finde Vetinari wird ziemlich gut getroffen. Ich war etwas erstaunt, dass Vimes sie mit "Sir" anspricht. Dies ist immerhin passend zum "Lord". Ich hoffe nur es bleibt beim Patrizier (dem Tyrannen) und nicht "der Präsidenten-Lady" oder "Diktator" wie Vetinari in der Anmoderation bzw. vom Produktionsteam genannt wurde.
Lady Sybil Ramkin, gespielt von Lara Rossi: Dieses Mal beginne ich zur Abwechslung mit meinem Fazit. Eine tolle Schauspielerin, spielt überzeugend. Leidet aber darunter, dass ihre Rolle von Schreiberlingen in der postapokalyptischen Zukunft geschrieben wurde, in der nur noch Fragmente von Pratchetts Werken erhalten blieben, aus denen sie die Informationen Frau, adlig und irgendwas mit Drachen gezogen haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sie aus der älteren, nicht gerade als ansehnlich beschriebenen, Sybil, deren Leidenschaft die Pflege von Sumpfdrachen ist, eine hübsche junge Rächerin mit lebendem Flammenwerfer gemacht haben. (
Ich habs ja prophezeit.)
Andere Charaktere:
Gaspode: Es kam in der Szene ein Hund vor, den Vimes verhören will. Also ich vermute es ist Gaspode? Geht als Gaspode wohl durch, auch wenn er etwas zu gepflegt wirkte.
Kein Wort zu Nobby und Colon. Die beiden haben es wohl nicht vor die Leinwand geschafft.
Carcer, gespielt von Samuel Adewunmi: War dieses Mal leider nicht zu sehen. Aber wir erfahren etwas mehr zu seiner Hintergrundgeschichte in der Serie. Er stellt bekannterweise den Antagonisten dar, dem Unrecht getan wurde und der sich nun dafür rächen möchte. Wir erfahren nun, dass auch Zeitreisen in der Serie eine Rolle spielen. Anbetracht dessen, dass vor ein paar Tagen erst bekannt gegeben wurde, dass der achtjährige Munro Lennon-Ritchie den jungen Samuel Mumm spielt, liegt natürlich die Vergangenheit als Ziel der Zeitreise nahe. Es wurde auch noch verraten, es wäre nicht alles so schwarz-und-weiß und so mancher Zuschauer würde mit Carcer mitfiebern. Ein ebenfalls in der Premiere erwähnter beschworener Drache lässt mich vermuten, Carcer könnte in diesem Teil des Multiversums hinter der Beschwörung stecken.
Wenn ihr euch eine eigene Meinung bilden wollte, so könnt ihr das unter
https://www.youtube.com/watch?v=srAo3qwEeBg tun.